Das Reisetagebuch meiner Großmutter |
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4. und 5. September 1937 | Quer durch den Harz | ||||||||||||
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Alle hatten herrlich geschlafen und nur der arme Vater hatte ein miserables
Bett gehabt. Bereits ½ 6 Uhr regte es sich hüben und drüben
und ich sah den herrlichsten blauen Himmel, als ich nach dem Wetter ausschaute.
Der Verkehr der Strasse setzte auch schon ein und uns hielt nichts mehr im
Bett und Glock 7 Uhr traf sich die Familie am Kaffeetisch um ordentlich
reinzuhauen.
Punkt ½ 8 Uhr fuhren wir davon. Der Kurbetrieb ruhte noch vollkommen und wir fuhren nach einer Rund-fahrt in Richtung Elend davon. Es hatte so stark getaut, dass die Wiesen wie bereift aussahen. |
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Romantisch ging die Fahrt weiter, riesige Steinblöcke lagen im Walde,
herrlich duftete der schöne Wald im Morgensonnenschein. In steter Steigung
ging es Kurvenreich bergauf. Hin und wieder tauchte oben das Brockenhotel
auf, es schien uns kaum glaubhaft, dass wir auf dem Wege dorthin sein
könnten. Aber näher und näher kamen wir heran, die Fichten
wurden kleiner und zerzauster, bis wir plötzlich nach einer letzten
starken Steigung auf dem kahlen Plateau standen.
Der Kühler kochte!!! Wacker hatte der gute Wagen seine Schuldigkeit getan. Der Kassierer an der Maut-stelle hatte zwar gesagt, es liegt am Fahrer, wenn sie nicht hinaufkommen, also gehört wohl gar dem Peter das Lob. Wir liessen also den braven Wagen eine gute halbe Stunde verschnaufen, und sahen uns um. Die berühmte Bergruhe gab es leider nicht, denn die Arbeiter am Bau des grossen Fernsehsenders waren selbst in dieser Mor-genstunde am Sonntag fleissig bei der Arbeiter und die Maschinen machten rechten Krach. |
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Wir belagerten den Andenkenstand, denn es gab sehr nette Hexen, mehr
oder weniger künstlerisch. Der Vater trank inzwischen eine
Fleischbrühe um die 20 Pf. zu retten, die von unserem 2,-RM Mautschein
in Zahlung genommen wurden. Wir könnten uns zu keinem Kauf entschliessen.
Ich zeigte Dorle noch den Platz, wo wir vor mehreren Jahren mit Bayers
fotografiert haben. Dann gingen wir zu den beiden Rundfunkautos, wo die grossen
Apparate wahrscheinlich zu Versuchungszwecke eben die Funkgymnastik aus Berlin
übertrugen. Einen reinen Empfang werden sie wohl jetzt nicht haben,
durch den Baumaschinengeräusche. Der Bau störte mich überhaupt
in meiner Bergfreude, aber sie werden eilen, um noch vor dem ersten Schnee
unter Dach und Fach zu sein. Inzwischen hatte sich der gute ausgeruht, Die
geizige Bucht verzehrte vor der Abfahrt die mitgebrachten Brote. Der arme
Wirt.
Nun ging es behutsam wieder abwärts. Wir genossen noch viele schöne Ausblicke, das dampfende Brockenbähnchen sahen wir auch aus der Ferne. Nun kamen schon viele andere uns entgegen und wir überschlugen im Geiste die Tageseinnahme von den bewussten 2,-RM.
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